PRESSESTIMMEN
Die Regisseurin hat ein Talent zum Herstellen von Bildern aus Körpern.
In solchen Riefenstahlgewittern wird der Mann in seinen seelischen Aggregatszuständen
gezeigt: Schreiend, flennend, feixend, träumend. Wenn sie durchs
Bühnenbild von Thilo Albers aufs Publikum zustürmen und dabei
chorisch brüllen, denkt man an Schleef.
Matthias Heine, Morgenpost 18. 8. 2002
Das Stück macht das Motiv des weißen Wals zum Platzhalter unerfüllbarer
Sehnsucht, zum Bild gewordenen, indifferenten Ziel der Erkenntnis, zum
Stöpsel auf dem Abgrund der Beliebigkeit von Lebenssinn ...
Es ist ein schwerer, ruppiger Text. Staffel scheut kein Pathos. Die Kerle
bäumen sich in aller Menschenmacht auf und scheitern klein. Wie Franz
Jungs Torpedokäfer, der gegen Wände fliegt. Die Wand juckt´s
nicht.
Ulrich Seidler, Berliner Zeitung 19.
8. 2002
Die acht Gestalten sind in der Schiller-Theater-Werkstatt, anders als
bei Melville, ohne Identitäten, sie tragen graue Anzüge, Militäruniformen
wohl, wie aber nur vage angedeutet wird. Auch Schiff und Meer muß
man sich dazu denken, bis auf ein paar Masten, Taue und Segel ist die
Bühne leer. Was die Mannschaft eint, ist einzig Ahabs Idee: Moby
Dick muß sterben.
Philipp Lichterbeck, Tagesspiegel 18.
8. 2002
Acht Männer brechen in der Inszenierung des Orphtheaters auf zur
großen Fahrt, um mit blinder Besessenheit der Aussicht auf Reichtum
zu folgen und ihre Angst vor sich selbst zu besiegen. In der Werkstatt
des Schiller-Theaters erzählt Susanne Truckenbrodt die Geschichte
als einen Irrweg entlang den Verlockungen von Ideologien und Gemeinschaftsritualen.
Schon Melvilles Roman war keine geradlinig komprimierte Geschichte, sondern
eine Mixtur verschiedener literarischer Genre.
Entsprechend ist auch bei Truckenbrodt die bearbeitete Romanfassung von
Tim Staffel ein Bilderreigen, in dem sich immer wieder neue Motive zu
einem Teppich verschiedener Bedeutungen und mythenbeladener Motive verweben.
Anfangs prusten die Männer Wasser in die Luft. Das gleissende Bühnenlicht
läßt sie und die gelegentlich aufblitzenden Fontänen ein
wenig wie Wale aussehen. Dann die Verbrüderung, der Schwur: "Weiß
und Wal und kein Geheimnis." ...
Der Wal wird zur Methapher für "das Böse". Wenn die
Männer mit entblößter Brust aufstampfen, vereinen sie
sich zum entfesselten faschistischen Körper. In einer Videoprojektion
mutiert der Tierkörper dann zum Signet verschiedener unheilvoller
politischer Bewegungen des 20. Jahrhunderts: vom Runenkreuz der Nazis
bis zum gewehrbestückten Stern der RAF ...
Letztlich vereint das Szenario die Körper zu einer Masse, in der
der Einzelne sein Gesicht verliert und verführbar zu politischen
Ideologien wird: Der Monolog Ahabs, die unheilvollen Heil-Hitler-Rufe
des Schauspielers Uwe Schmieder. Aus dieser Gemengelage entsteht ein dichtes
Spiel, das seinen Rhythmus im Wechsel gewalttätiger männlicher
Rituale und der dann wieder folgenden Todesstille auf dem glatten Meer
findet.
Richard Rabensaat, taz 19. 8. 2002
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